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Von Judy Unger
17.10.2019
Zuletzt wurde in Österreich sogar die Forderung laut, die Verwendung von Bargeld in der österreichischen Verfassung zu verankern. Warum sind Österreich und der größte Teil Europas eigentlich immer noch von Bargeld besessen?
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Die zunehmende Diskussion um die Abschaffung von Bargeld wirft zwangsläufig neue Fragen in Sachen Privatsphäre und Überwachung auf. Kommst du aus Norwegen oder Schweden, dann hast du womöglich seit Monaten, vielleicht seit Jahren, kein Bargeld mehr verwendet. Während sich die skandinavischen Länder jedoch zunehmend zu bargeldlosen Gesellschaften entwickeln, scheint man in den übrigen Ländern Europas noch nicht auf den Geschmack gekommen zu sein.
Urlauber, die in Österreich auf einer Berghütte ihre Rechnung mit Karte bezahlen wollen, treffen womöglich auf verwirrte Blicke oder haben - noch schlimmer - keine Möglichkeit ihre Zeche zu begleichen. Zuletzt wurde in Österreich sogar die Forderung laut, die Verwendung von Bargeld in der österreichischen Verfassung zu verankern. Warum sind Österreich und der größte Teil Europas eigentlich immer noch von Bargeld besessen?
2017 veröffentlichte die Europäische Zentralbank eine Studie mit dem Titel "Die Verwendung von Bargeld in Haushalten der Eurozone" - und die Ergebnisse waren mehr als nur aufschlussreich. Im Jahr zuvor hatte die EZB etwa 65.000 Personen in ganz Europa befragt und kam zu dem Schluss, dass 79% aller Transaktionen am Point of Sale mit Bargeld durchgeführt wurden. Dies entspricht 54% des Gesamtwertes aller Zahlungen.
Die Studie ergab, dass Bargeld vor allem in Deutschland, Österreich und Malta, wo 92% der Transaktionen in Bargeld abgewickelt werden, sowie in Griechenland und Zypern (88%) beliebt ist. Die Studie war die erste ihrer Art, die in der gesamten Währungsunion (bestehend aus 19 Mitgliedstaaten), durchgeführt wurde. Diese Ergebnisse untergraben eindeutig die Annahme, dass die Zukunft Europas wahrscheinlich bargeldlos sein wird (oder sein sollte).
Die Gründe für den Widerstand vieler europäischer Länder gegen den bargeldlosen Zahlungsverkehr sind zahlreich. In Teilen der Bevölkerung gibt es massive Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre. Verschwiegenheit betreffend die persönlichen Finanzen ist in den Kulturen der Welt tief verankert.
So zum Beispiel die Aussage von Harald Mahrer, dem ehemaligen österreichischer Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, gegenüber dem österreichischen öffentlich rechtlichen Radiosender Ö1 in 2016:
"Wir wollen nicht, dass jemand digital nachvollziehen kann, was wir kaufen, essen und trinken, welche Bücher wir lesen und welche Filme wir sehen [...] Wir werden uns überall gegen Regeln widersetzen".
Viele Bargeld-Befürworter bevorzugen die Freiheit, die ihnen Geld ermöglicht und wollen die Dinge so belassen, wie sie sind. Im Gegensatz zum elektronischen Zahlungsverkehr bleiben bei Bargeldtransaktionen auch nur wenige oder gar keine digitalen Brotkrümel für Länder und Unternehmen zur Analyse übrig.
Ein weiterer Grund, warum noch immer das Bargeld die bevorzugte Zahlungsart ist, ist die Tatsache, dass selbst in stärker digitalisierten Gesellschaften viele mit digitalen Zahlungsmethoden nicht vertraut sind. Nicht nur deswegen bestehen Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auf Pensionisten, Kinder und Obdachlose.
Im Gegensatz zu technikbegeisterten Millennials sind zum Beispiel ältere Generationen oftmals nicht mit der Technologie vertraut - und haben womöglich Angst davor, den Umgang mit neuen Technologien zu erlernen. Kinder hingegen erfahren ohne den Umgang mit Bargeld nie, wie Geld gegen Waren eingetauscht wird und könnten daher glauben, dass das Geld unbegrenzt zur Verfügung steht und es keinen Unterschied zwischen Ersparnissen und Krediten gibt. Für Obdachlose ist Bargeld unabdingbar, da viele über kein eigenes Bankkonto verfügen, über einen Zugang zur Technologie ganz zu schweigen.
Einer der größten Vorteile von Bargeld ist, dass es ohne Mittelsmann und staatliche Überwachung verwendet werden kann. Dies ist eine der Eigenschaften, die Kryptowährungen mit Bargeld gemein haben - mit Bitcoin können Nutzer auch anonyme Transaktionen tätigen.
Es ist eine Tatsache, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung in autoritären Regimen lebt. In Venezuela zum Beispiel nutzten die Menschen Bitcoin, um der Finanzkontrolle und der Hyperinflation zu entkommen.
Derzeit ist die Verwendung von Bitcoin, um Geld aus dem Ausland zu erhalten, die einzige Möglichkeit für Venezolaner, Banken vor Ort zu umgehen, die unter dem Druck der Regierung stehen, alle Details zu Transaktionen offenzulegen, einschließlich Antworten zur Frage, wofür das Geld verwendet wird. Damit sitzen die Venezolaner zwischen Baum und Borke, wobei die Verwendung von Bitcoin die Privatsphäre wahrt und eine relativ einfache Handhabung bietet.
Derzeit sind Kryptowährungen jedoch noch weit davon entfernt, sich in stabilen Volkswirtschaften zu etablieren oder gar weltweit durchzusetzen. Weniger als 40 Millionen Menschen auf der ganzen Welt - das entspricht weniger als 1% der Weltbevölkerung - haben Bitcoin jemals verwendet, wobei die Mehrheit der Nutzer von Kryptowährungen männliche Millennials sind, die in der IT und im Finanzwesen arbeiten.
Die Technologie hinter Bitcoin steckt noch in den Kinderschuhen - es gibt noch Spielraum für Verbesserungen in Bezug auf Merkmale wie Benutzerfreundlichkeit und Transaktionsgeschwindigkeit. Neue Technologien wie Lightning Network können Bitcoin Transaktionen erhöhen und könnten Bitcoin für die breite Öffentlichkeit zugänglicher machen.
Um die Verwendung von Kryptowährungen für mehr Nutzer attraktiver zu machen, müssen Kryptowallets einfacher zu verwenden sein und auch der Zugang zu Informationen und zu Krypto-Plattformen muss erleichtert werden. Nicht zuletzt ermöglichen Kryptowährungen vielen Menschen rund um die Welt, die keine Bankverbindung haben bzw. das traditionelle Bankwesen nicht nutzen können, den Zugang zu Finanzdienstleistungen.
Wenn Bargeld irgendwann abgeschafft wird, sind es Kryptowährungen, die Transaktionen unter Wahrung der Privatsphäre ermöglichen. Angesichts der Tatsache, dass eine bargeldlose Gesellschaft durch Finanzkontrollen, Überwachung und autoritäre Strukturen zwangsläufig angreifbarer wird, sehen manche Befürworter in Bitcoin eine Absicherung gegen solche Entwicklungen.
Bitcoin ist die perfekte Antwort auf diese Zwickmühle, da es dezentral, pseudonym und hochsicher ist. Tatsächlich ist Bitcoin das einzige Zahlungsmittel, das physisches Bargeld und digitale Zahlungen in "digitales Bargeld" verwandelt. Bitcoin kann zwischen zwei Parteien ohne Mittelsmann und - mit den richtigen Vorkehrungen - ohne Überwachung eingesetzt werden.
Da unsere Gesellschaft immer schneller auf eine vollständig digitale Zukunft zusteuert, wird sie zwangsläufig eine Art "digitales Bargeld" benötigen - sei es Bitcoin oder etwas anderes.
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